Zwei Männer sitzen am Pool und streiten. Der eine ist inbrünstig davon überzeigt, dass die britische Kolonialherrschaft über Burma nur Positives hat. Bessere Bildung, bessere Straßen, Aufbau der Wirtschaft. Und die Burmesen? Man sehe ja, dass die alle faul seien. Der andere Poolbesucher ist von so viel Fremdherrschaft abgestoßen und widerspricht vehemennt. Die Briten, die in Burma lebten, seien alle versoffen und terrorisierten die Einheimischen ohne Unterlass.

Der Twist: Der Kolonialismus-Freund ist Burmese und der Gegner der britischen Herrschaft ist Engländer. Diese Szene aus George Orwells „Tage in Burma“ ist bei Weitem nicht repräsentativ, weder für die heutige und noch viel weniger für die damalige Bevölkerung. Aber sie hat mir doch in gewisser Weise die Augen geöffnet. Denn George Orwell hat nicht nur phänomenale und zuweilen deprimierende Bücher über die Diktatur geschrieben. Er war auch Polizist im Dienst der britischen Kolonialherrschaft in Burma und hat darüber ein ähnlich phänomenales und zuweilen deprimierendes Buch geschrieben.

Zurück in der Gegenwart äußert sich die Zweiklassengesellschaft an der Oberfläche dadurch, dass Ausländer mehr zahlen. Ein Inlandsflug kostet für Ausländer 120 Euro, für Burmesen 40 Euro. Die Fähre nach Dala kostet für Ausländer 2,60€, für Burmesen 0,26€. Und dass Taxifahrer versuchen, Ausländer abzuzocken, passiert ja sowieso überall auf der Welt. Aber ich habe immer wieder das Gefühl, es geht hier gar nicht (nur) ums Geld.

 

Die Boote für nationale sind etwas kleiner und haben auch einen schwächeren Motor. Damit brauchen sie ganze zehn Sekunden länger zur Pagode als das Toursitenboot. Im Hintergrund die Kyauktan Ye Le Pagode, mitten auf dem Fluss. Aufs lokale Boot dürfen Ausländer nicht rauf. Offizielle Begründung: Zu unsicher.

Beispiel Boot: Neben der Fähre mit dem zehnfachen Ausländerpreis gibt es auch kleine Boote, die circa zehn Personen auf die andere Seite des Flusses nach Dala transportieren. Sieht alles etwas provisorischer aus, aber auch viel interessanter, und so wollten wir das eigentlich probieren. Aber statt uns ins nächste Boot zu setzen, wollten uns die Fahrer auf einem eigenen Boot extra für uns rüberfahren. Dabei hätten sie uns den höheren Preis ja auch im Boot mit den anderen Burmesen abknöpfen können. Warum diese Sonderbehandlung? Warum können wir nicht im gleichen Boot sitzen wie die Burmesen? Mit den Bootsfahrern war aber nicht zu reden. Im Weggehen haben wir einen der Passagiere gefragt. So richtig konnte er keine Antwort geben. „Vielleicht Sicherheit“ war das konkreteste, was er uns sagen konnte. Sicherheit? Die Boote mit Burmesen kann man überfüllen, aber die Ausländer müssen sicher rübergebracht werden? Oder sind wir ein Sicherheitsrisiko für die Boote? Ich weiß es nicht.

Einige Wochen später das gleiche. Beim Besuch einer eigentlich wunderschönen Pagode auf dem See – der Tempel nimmt quasi die komplette Insel ein – wurde es offiziell mit „Sicherheit“ begründet, dass Ausländer ein extra Boot nehmen müssen.

Beispiel Flugzeug: Vor einigen Wochen bin ich mit meiner burmesischen Kollegin Alison nach Bagan geflogen. Neben einer fantastischen Tempeltour durch die Pagodenfelder Bagans besuchten wir ein von der Böll-Stiftung gefördertes Seminar, in dem Aktivisten, Journalisten und Forscher in digitaler Sicherheit geschult wurden. Aber in diesem Artikel geht es um die Flugreise wieder zurück. Auf dem Rückweg hat noch eine burmesische Seminarteilnehmerin den gleichen Flug wie Alison und ich genommen. Wir – zwei Burmesen, ein Ausländer – stellten uns hintereinander beim Check-In an und bekamen unsere Bordkarten nacheinander.

Die Bordkarte wird noch per Hand ausgefüllt.

 

Auch die Immigration wird händisch geprüft.

 

Auf geht’s zum Flugzeug.

Im Flugzeug haben wir dann erstmals nach unseren Sitzplätzen gesehen und gemerkt, dass ich ganz vorne sitze, während meine burmesischen Kolleginnen Plätze im hinteren Bereich zugewiesen bekommen haben. Naja, dachte ich mir, dann haben die beim Check-In irgendwie nicht verstanden, dass wir zusammen gehören. Aber dann setzt sich eine Amerikanerin neben mich. Witziger Zufall: So viele Ausländer habe ich auf dem Flughafen nicht gesehen – dass die ausgerechnet den Platz neben mir bekommen hat. Fast genauso komisch: Vor uns sitzt ein Weißer. Neben uns, an der anderen Fensterreihe, sitzt ein weißes Paar. Und hinter uns sitzen auch zwei Weiße. Anscheinend werden Ausländer in diesem Flugzeug alle nach vorne gesetzt, und die Burmesen bekommen die hinteren Plätze. Nicht, dass die vorderen Plätze anders gewesen wären, es war keine Business Class. Aber warum teilt man das Flugzeug in einen burmesischen und nicht-burmesischen Teil auf?

Und wo bleibt der Puff? Das Versprechen aus der Überschrift habe ich ja noch gar nicht eingelöst, aber dazu kommen wir jetzt. Am internationalen Tag des Bieres sind wir in ein gutes, angesehenes Restaurant gegangen. Jeder kennt es, es ist ein beliebter Expat-Treff, an dem NGO-Leute, Diplomaten und Leute aus der Wirtschaft zusammenkommen. Wir waren zum ersten Mal da und werden so bald wohl nicht wiederkommen.

Zum Glück waren keine Leute beteiligt, die ich kannte, aber einige Tische erfüllten das Klischee, wie man sich den Kolonialismus vorstellt: Alte weiße Männer sitzen halbbesoffen in der Bar und lassen sich von einheimischen Damen bespaßen. Hände wanderten von Arsch zu Arsch, Frauen waren mal in diesem, mal in jenem Arm und die Männer machten dämliche Witze. Wer waren die Frauen? Prostituierte? Am Ende gingen aber Frauen und Männer aber oft getrennt nach Hause – doch keine Prostituierte? Mitarbeiterinnen oder Freundinnen? Aber die kann man doch nicht so behandeln? Und wer waren die Männer? Hatten sie Frauen zu Hause? Und predigten sie vielleicht sogar zwischen 9 und 17 Uhr Entwicklungszusammenarbeit? Da fallen einem plötzlich die Berichte über Exzesse der Entwicklungshelfer aus Haiti wieder ein. Es können aber natürlich auch einfach „nur“ Touristen oder andere sein, die sich nicht um Entwicklungszusammenarbeit scheren.

Es ist eine verdammt komische und unangenehme Atmosphäre, die nicht nur uns auffällt. Zum Glück scheint das eine Ausnahme gewesen zu sein, denn in den Wochen davor und den Wochen danach habe ich das nicht wieder gesehen. Allerdings waren wir auch nie wieder in diesem Restaurant, also wer weiß. Zumindest an diesem Tag schien das ja ganz normal zu sein.

Wie passt das jetzt alles zusammen? So richtig verstanden habe ich das alles nicht, und ich habe darauf auch unter Burmesen keine Antwort gefunden. Aber es lässt ein komisches Gefühl zurück, bei dem es gar nicht so sehr um Benachteiligung (höhere Preise) oder Bevorzugung (Sonderposition im Flugzeug) geht. Und wie die Restaurant-Episode da mit rein spielt, weiß ich auch nicht genau. Aber es scheint – teilweise bei Myanmar, teilweise bei Ausländern – ein allgemeines Bewusstsein zu geben, dass man Menschen unterschiedlich sind, dass man sie in Klassen einteilen und dementsprechend anders behandeln kann. Vor dem Gesetz sind zwar alle gleich, aber im echten Leben sind manche dann sogar noch gleicher. Ein bisschen scheint Orwell bis heute nachzuwirken.

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