In Deutschland fällt eine Nonne oder ein Mönch in voller Montur schon sehr aus dem Rahmen, aber hier ist es vollkommen normal, dass Mönche immer da sind. Zum einen gibt es viele Kloster, auch in der Stadt. Man kann kaum eine Viertelstunde laufen, um nicht irgendwo ein kleines Kloster zu finden. Zum anderen ist unser Bild vom asketischen Mönch, der außerhalb der Gesellschaft lebt, auch einfach falsch. Die Mönche sind viel unterwegs; oft in kleinen Gruppen, teilweise aber auch allein oder mit Freunden und Bekannte, die keine Mönche sind.
Askese ist zwar ein wichtiges Prinzip im Buddhismus, wird aber anders gelebt als wir uns das vorstellen. Die Mönche bevölkern nicht nur das Stadtbild, sondern sind auch in die Gesellschaft integriert. So unterstützte eine von einem Mönch gegründete NGO die Opfer von Zwangsumsiedlungen. 2007 protestierten Mönche in einem als Saffron-Revolution bekannt gewordenen Aufstand gegen die Militärregierung. Und das neue Büro von Search for Common Ground wurde während Malins Praktikum von Mönchen eingeweiht. Dafür wurden die Mönche aus dem Kloster um die Ecke abgeholt, und zunächst einmal mit Fanta versorgt. Wasser gab es zwar auch, aber das wurde nicht angerührt. Als die Kehlen nicht mehr trocken waren, stimmten die Mönche ein ungefähr halbstündiges Gebet an, das das neue Büro segnen sollte. Danach wurde sich bedankt, andere Geschenke außer Fanta wurden den Mönchen gemacht und dann sind sie auch schon los gefahren. Als sich der ganze Trubel gelegt hatte, fragte ich U Maw, den Office Manager von Search: „Was haben die Mönche denn in ihrem Gebet gesagt?“ U Maw zuckte etwas verlegen die Schultern und sagte: „Weiß ich nicht – die haben auf einer alten buddhistischen Sprache gesprochen, nicht auf Burmesisch.“ Na gut. Aber ich gehe trotzdem davon aus, dass das Büro jetzt für alle Aufgaben gewappnet ist.
Die enge Integration der Mönche in das öffentliche Leben hat vielleicht auch damit zu tun, dass fast jeder hier einmal Zeit im Kloster verbracht hat. Mindestens zwei Mal soll jeder Mensch als Mönch gelebt haben. Während die erste Erfahrung meist nicht mehr als ein paar Tage oder Wochen dauert, lebt man beim zweiten Mal in vielen Fällen einige Monate als Mönch im Kloster. In Deutschland würde man wahrscheinlich sagen: Man macht ein Praktikum.
Die Jugendlichen oder jungen Erwachsenen erleben zum Einen die Spiritualität und die Würde des Mönch-seins, auf der anderen Seite erleben sie aber auch die strengen Regeln. Zwischen 4:00 und 5:00 Uhr morgens aufstehen, strenge Studien und nach 11:30 Uhr kein Essen mehr. Wer dann wieder raus in das alte Leben will, darf das dann tun. Eine Mitarbeiterin der Böll Stiftung hat auch einige Zeit im Kloster verbracht und die Zeit als sehr lehrreich, aber gleichzeitig nicht als wegweisend für ihr Leben empfunden. Wer aber Gefallen am Leben als Mönch gefunden hat, der hat nun die Möglichkeit, auf unbestimmte Zeit sein Leben als Mönch zu verbringen.
Buddhismus und Feminismus
Wobei Männer und Frauen ab hier unterschiedliche Wege gehen. Im Westen hat man ja oft den Eindruck, dass der Buddhismus eine friedfertige, gleichberechtigende, warmherzige und überhaupt irgendwie perfekte Religion ist. Nunja. Das ist er sicherlich nicht. Der Buddhismus ist auch nicht von Grund auf schlecht. Wie jede andere Religion ist er genauso gut wie die Menschen, die ihn praktizieren.
Und das Patriarchat hat die Gesellschaft fest in der Hand. Es gibt durchaus Nonnen, die man an ihren gleißend pinken Roben im Stadtbild fast noch schneller ausfindig macht als die Mönche. Ich dachte dabei immer, dass Nonnen einfach weibliche Mönche wären – weit gefehlt. Es gibt eigene Nonnenorden, die jedoch in jeder Hinsicht unter den Mönchsorden stehen. Das führt dazu, dass hundertjährige Nonnen sich vor zwanzigjährigen Mönchen verbeugen müssen, Mönchsorden mehr Spenden bekommen und Nonnen auch in buddhistischen Zeremonien viele Rolle nicht ausüben können.
Dabei konnte früher sogar – der Legende nach – eine Frau Mönch sein. Also ein Mönch wie jeder andere auch, nur eben weiblich. Der Einfachheit halber nenne ich sie hier mal Mönchin (ist wahrscheinlich haarsträubend falsch, liest sich aber besser). Dann kam aber eine verhägnisvolle Schlacht, in der alle Mönchinnen getötet wurden. Da aber nur eine Mönchin eine Novizin in den Mönchsstatus heben kann, können Frauen nun keine Mönche mehr werden.
Inwieweit diese Geschichte wirklich stimmt, sei mal dahingestellt. Aber zumindest zeigt sie, dass sich jede Tradition aufrechterhalten lässt, wenn man sie nur zu rechtfertigen weiß.
Buddhismus und Tourismus
Diese Gender-Debatte wird aber nur von einer sehr kleinen Minderheit und ansonsten wahrscheinlich auch eher von westlichen Beobachtern geführt. Das Verhältnis von Religion und Gesellschaft ist dagegen sehr eng. Grundlage für diese Bindung ist das Karma. Die Mönche spenden den Bewohnern der Stadt gutes Karma und im Gegenzug sorgt die Stadt dafür, dass es den Mönchen gut geht.
So dürfen Mönche zum Beispiel kostenlos Bus fahren. Und jeder Buddhist in Myanmar empfindet es als eine Ehre, den Mönchen etwas spenden zu dürfen. Am besten kann man das morgens sehen. Fast jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit treffe ich eine Gruppe von Mönchen, die um die Häuser ziehen und um Reis für den Tag bitten. Vorneweg zieht dabei ein vielleicht fünfjähriger Novize, der einen kleinen Gong anschlägt, um die Menschen aus ihren Häusern zu holen. Vor jedem Haus steht dann oft schon eine Schüssel mit ungekochtem Reis bereit, aus der jeder der zehn bis fünfzehn Mönche einen Löffel bekommt. Ob arm, ob reich, jeder macht dabei mit.
Der tägliche Almosengang ist so berühmt geworden, dass er sich inzwischen in ein berüchtigtes Touristenziel verwandelt hat. Szenewechsel: Laos, Luang Prabang. Eine kleine, verschlafene alte Königsstadt, in der die Mönche seit Ewigkeiten das gleiche Zeremoniell jeden Morgen durchführen. Nur ein Unterschied: Hier müssen sie sich wie im Zoo fühlen. In jedem Reiseführer ist der Almosengang angepriesen, sodass eine Horde Touristen jeden Morgen auf die Mönche wartet und ein Blitzlichtgewitter entfachen, das dem Almosengang seine ganze Spiritualität, Erhabenheit und Ruhe wegnimmt. Schießen die Touristen da tolle Bilder? Ja. Sind die Bilder besser als meine? Ja. Ist es das Wert? Nein. Man muss kein Buddhist sein, um die Spiritualität der Mönceh zu würdigen und zu erkennen, dass man hier genau das kaputtmacht, was man so bezaubernd findet. Dieses Problem ist inzwischen schon so bekannt, dass darüber sogar wissenschaftliche Abhandlungen geschrieben werden. Geändert hat das aber wohl noch nicht viel.
Ähnliches passiert übrigens in Myanmar vor allem in Mandalay. Ich fühle mich auf der Straße vor dem Büro schon blöd, wenn ich die Mönche bei ihrem alltäglichen Almosengang fotografieren will. Und dabei kommen in diesen Teil Yangons noch nicht einmal Touristen. Ich wäre der einzige. Aber manchmal kann man die Kamera auch einfach stecken lassen und die Bilder im Gedächtnis festhalten.