Die Zeit fliegt und rast und rennt. Eine Woche nach der anderen verfliegt und mündet in eine weitere und eine weitere und eine weitere. Ohne Rast ist nun der August angebrochen und geht bald wieder vorbei. Arbeiten, tagein tagaus, bedeutet Routine. Gleichheit stellt sich ein und man muss fast kämpfen, jeden Tag etwas Neues zu entdecken.
Insbesondere die letzten zwei Monate waren geprägt von Bewerbungen Schreiben und Design-Tätigkeiten am Abend nach der Arbeit. Oft sind wir heimgekommen von einem Tag im Büro und haben zu Hause direkt wieder den Laptop aufgeklappt. Irgendwie muss das natürlich sein, wenn wir länger in Myanmar bleiben wollen. Doch es raubt uns auch Zeit, Myanmar und Yangon unvoreingenommen zu begegnen.
Streifzüge durch die Altstadt haben wir im letzten Monat aber doch ein paar mehr gemacht. Als meine Mitpraktikantin bei Search für zehn Tage verreiste, hatten wir die Möglichkeit, ihre Wohnung zu babysitten. Housekeeping nannte sie das. Für uns war es jedoch viel mehr als „In Schuss halten“. Die Wohnung lag ein paar Meter von der großen Sule Pagoda entfernt, die im Stadtzentrum – Downtown – liegt. Einst war sie von überall her sichtbar und wohl damals schon kleines Schwester-Wahrzeichen der Stadt neben der großen Pagoda. Heute ist sie ein Kreisverkehr. Verrückt eigentlich, dass ein Wahrzeichen wie die Sule Pagoda derartig ins Stadtbild eingelassen wurde. Doch wunderlich ist es letztlich auch nicht.
In Downtown zu leben – und sei es nur für eine kurze Zeit – ist eine schräge Erfahrung. Ich bekomme den Eindruck, dass wir so viel näher am Geschehen sind als wir es in unserer neuen Wohnung (seit zwei Monaten) in der Ma Po Street in Sanchaung sind. Direkt gegenüber von der Wohnung im achten Stockwerk finden wir viele kleine Kioske und einen Markt, auf dem Gemüse und Obst und schräges Obst und schräges Gemüse angepriesen werden. Direkt um die Ecke befindet sich ein indisches Restaurant, in dem Fast Food-ähnlich Thalis (große Teller mit verschiedenen Currys und Teigfladen: Puris, Chapatis, Parathas) oder verschiedene Currys (südindisches Cashew-Curry oder Kartoffel-Blumenkohl-Curry) zur Auswahl stehen. Zugegebenermaßen ist es nicht die feine indische Küche der Mittelklasse, doch lecker, schnell und günstig allemal.
Mal wieder geht’s nur ums Essen. Das Essen der Myanmaris hat mich aber leider doch noch nicht so umgehauen. Heute waren wir jedoch Nord-Myanmarisch essen: in einem Kachin Restaurant. Das war richtig köstlich und echt auch ein wenig speziell. Dort gab es Kartoffelbrei mit gerösteten Kartoffeln, Spinatsalat und Pilz-Rührei. Auch Reis mit Gemüse und Fenchelsamen gab es dort und natürlich auch einige Fleischgerichte. Doch endlich war es mal möglich, ausgiebig und vielfältig vegetarisch zu essen – eine gelungene Abwechslung!
Kachin liegt im Norden Myanmars und grenzt im Osten an China und im Westen an Indien. Es muss eine spannende Region sein, hoch im Norden und so weit vom Zentrum des Landes entfernt. Zu meiner Abschiedsfeier bei Search habe ich einen Kachin-Rock geschenkt bekommen – handgestrickt und aus Wolle. Viel zu warm für Yangon und ein wenig kratzig in der Hitze, aber ein großes Dankeschön und eine besondere Anerkennung.
Die Zeit bei Search ist nämlich schon wieder rum. Zack, aus, vorbei. Drei Monate passé. Es ist erstaunlich, wie viel ich machen konnte, beitragen durfte, lernen konnte. Friedensbildung, Dialogförderung, Medienbildung. Ich habe ein wöchentliches Learning Lab ins Leben gerufen, in dem ich mit meinen Kollegen neue Funktion in Excel, Word und PowerPoint entdeckt habe. Mit Seitenumbrüchen haben wir angefangen und uns dann sogar an Conditional Formatting und Data Validation herangetraut. Spannend, wie langwierig oft kleine Schritte waren. Frustrierend, wie oft ich beim Erklären bei Null anfangen musste. Und begeisternd, wie gerne sie allesamt gelernt haben. „Thank you Malin, I am just learning. Don’t change anything, just continue!“ – Danke Malin, ich lerne einfach nur. Du musst gar nichts ändern, mach einfach so weiter wie bisher.
Kleine Dinge wie dieses Feedback haben mir gezeigt, wie wertvoll die Zeit war. Wie viel ich über mich herausgefunden habe. Wie sehr ich es genieße, anderen etwas beizubringen und mit ihnen etwas zu erarbeiten. Mir gefällt es richtig, mir selbst kleine Funktionen in Word oder Excel anzueignen, nur um sie dann einen Tag später zu vermitteln, anderen zu erklären und weiterzugeben. Es war eine große Lektion und eine wichtige Entdeckung für mich. Eigentlich wusste ich es schon seit Jahren, doch so deutlich habe ich es selten gespürt. Ich bin nicht hier, um einen Report besser zu schreiben als meine Kollegen. Auch nicht unbedingt, um ihn mit meinen Kollegen gemeinsam zu schreiben. Sondern vielleicht eher, um meinen Kollegen zu zeigen, wie sie einen Report selbst besser schreiben können. Nur letzteres ist nachhaltig und letztlich wirksam. So muss ich mir doch immer wieder bewusst machen, was meine eigentliche Rolle ist. Wo ich tatsächlich etwas hinterlassen und beisteuern kann. Wo meine Kräfte am besten wirken und gebraucht werden können. Bei Search war das wöchentliche Learning Lab ein kleines Juwel, das mir unglaublich viel zurückgegeben hat und das wirklich wertvoll war.