Streifzug durch Yangon
Beh lau leh? – Wie viel kostet das? / Unabdingbares Startvokabular
Als ich um 8 die Wohnung verlasse kommt die Hitze hervor. Im Schatten ist es noch angenehm kühl, doch lange lässt es sich in der prallen Sonne auch zu dieser Zeit schon nicht aushalten. So verzichte ich auf meinen geplanten 3,5 km Weg zur goldenen Shwedagon Pagoda und hole mich doch schnell ein Taxi. „Beh lau leh?“ frage ich den Taxifahrer und einige mich mit ihm nach wenig Verhandeln auf 1.500 Kyat (MMK). Da der momentane Wechselkurs irgendwo bei 1.600 MMK zu 1€ steht ist das ein durchaus akzeptables Angebot. Ich sage „Ya ba deh“ – alright und „Tsche su ba!“ – Danke! Die Adresse hat er zwar noch nicht ganz verstanden, sodass wir uns letztlich in einer schmalen Gasse zwischen einem Wasserlieferant und einer Fahrradrikscha durchmogeln, doch schließlich kommen wir doch am vereinbarten Ziel an. Auch wenn er zwischendurch noch einmal kurz versucht, doch noch auf 2.000 Kyat hochzugehen bleiben wir bei dem vereinbarten Betrag, der für die Strecke auch durchaus angemessen ist.
Um 8:30 auf der Suche nach Schatten
Angemessen ist auch das Blätterdach der Hunderten Bäume im People‘s Park, der grünen Oase der Stadt. Hier reihen sich sämtliche Exemplare des botanischen Gartens in Berlin dicht an dicht aneinander. So spenden sie nicht nur Schatten, sondern sorgen auch für ein wunderbar angenehmes Klima, in dem man schnell die Großstadt vergisst, in der man sich befindet. Erstaunt bin ich vor allem aber von der Hängebrücke, die zwischen ein paar enormen Bäumen hängt und zum Blick in die Baumkronen einlädt. Hier ist es wirklich fantastisch und bietet einen tollen Ort, um mal in den Büchern über Myanmar zu blättern oder die Eindrücke der Stadt zu verarbeiten.
Puh, heute nur 35 Grad!
Verarbeiten muss ich zu allererst einmal diese Wärme. Schon beim morgendlichen Gang zur Arbeit von der Hanthawaddy Road zur Than Lwin Road spüre ich den Unterschied zwischen 8 und 9 Uhr enorm. Zwar dauert der Weg nur eine gute halbe Stunde, doch nicht immer gibt es Schatten spendende Bäume. Doch schon nach ein paar Tagen habe ich einen guten Weg gefunden, der lange im Schatten verläuft. Auch das Universitätsgelände, das ich durchquere, liegt im Grünen und ist von kleinen Cafés und Straßenrestaurants gesäumt. Auf dem Rückweg gegen 17 Uhr gehe ich oft mit Kollegen gemeinsam, die einen Großteil des Weges teilen. Das genieße ich sehr, weil sie doch erstaunlich gut die Position einer Ausländerin in ihrer Stadt verstehen können. So bekomme ich viele Tips, die ich in den nächsten Wochen abarbeiten werde. Die Shwedagon Pagoda soll wunderschön sein, der Inya Lake im Norden sowieso und so einige weitere Sehenswürdigkeit laden zum Entdecken ein. Und selbstverständlich sollen wir nach Mandalay und Bagan, nach Mrauk U und hoch in die Berge – es gibt so viel zu sehen!
Blicke in Gemächer und Wohnzimmer
Schon oft ist mir die Offenheit aufgefallen. Sie zieht sich durch alle Bereiche und ist mir in den letzten Tagen immer wieder begegnet. Auf der Straße neben unserer Wohnung liegt eine Autowerkstatt und eine Waschanlage – beide mit großen gußeisernen Toren, die immer offen stehen. Darüber liegt eine Wohnung, die auch nur von einem Gitterkasten umgeben und hell erleuchtet ist. So erhalte ich vor allem bei Einbruch der Dunkelheit Blicke in private Bereiche, die in Deutschland hinter dicken Vorhängen verschwinden würden. Einige Häuser weiter ist der Eingangsbereich des Hauses offen, sodass der Blick auf einen Bewohner fällt, der mit Longyi und nacktem Oberkörper ein Nickerchen auf dem Holz-Sofa hält. Doch die größte Intimität blößen wohl diejenigen ein, die sich auf ebendieser Straße am öffentlichen Brunnen oder mit dem Wasserschlauch waschen. Von oben bis unten eingeseift und nur mit Longyi bedeckt, waschen sich dort Frauen und Männer, jung und alt. Das ist schon verrückt und erstmal ein komisches Gefühl, weil ich nicht weiß, ob ich demonstrativ weg gucken soll oder es einfach mit ebendieser Gelassenheit hinnehmen soll, mit der auch mir gegenüber getreten wird.
Gelassen akzeptiert.
Denn das werde ich wirklich. Akzeptiert und ganz gelassen hingenommen. Es sind neugierige und Anteil nehmende Blicke, die mir begegnen. Viele haben schnell ein Lächeln auf dem Gesicht und signalisieren auch dadurch ihre Akzeptanz. Nie wurde ich bislang angequatscht oder angemacht, was eine unglaubliche Verbesserung der Gesamtsituation gegenüber Tunesien bedeutet. Auch keine aufdringlichen Verkäufer oder Taxifahrer sind mir bislang begegnet. Das trägt natürlich enorm zu meinem Wohlgefühl in dieser Grünen Stadt bei. Denn das tue ich wirklich. Ich fühle mich wohl, kann mich frei ohne männlichen Begleitschutz bewegen und spüre eine Sicherheit, die mir selten in Großstädten im Ausland gegönnt wurde. So ist Yangon doch kein Moloch, sondern erstaunlich lebenswert, wirklich sehr grün und bietet so viel zum Entdecken, Flanieren und Austesten. Für heute steht auf dem Plan: 999 Shan Noodle. Ich bin gespannt!