Wochenende in Hanoi – Auf den Spuren der Franzosen
Leicht unterwegs
In Hanoi anzukommen, hält einige Überraschungen bereit. Der Flughafen ist sehr modern und wir sehen hier alleine schon mehr Touristen als in 50 Tagen Yangon zusammen. Zwei Spanier quatschen uns in gebrochenem Spanisch an, wo man denn Geld wechseln oder abheben könne, stehen allerdings inmitten von 10 ATMs und Wechselstuben. Als sie dann einen Euro in vietnamesische Dong wechseln (1€ = 27,000 VND), wundern sie sich, warum sie dafür keine Flasche Wasser bekommen. Vielleicht ist das Vietnam doch ein Land, das nicht nur Backpacker und Abenteurer, sondern auch eine andere Art Tourismus anzieht. Der Flughafen ist super gut angebunden und bringt uns für 30,000 VND (1,11€) mit dem Shuttle-Bus ins Stadtzentrum. Wir steigen schon am großen Ho Tay See im Norden aus und spazieren durch das belebte Viertel.
Streifzug durch Hanoi – Gefangen zwischen Moderne und Tradition?
Hanoi ist ein spannender Mix zwischen Bangkok und Yangon. Viel ist hier in Hanoi weit entwickelt und gut durchdacht. Es gibt weite Straßen, viele Parks, und einige Seen, die sicherlich viel CO2 aus der Luft filtern. Bürgersteige leiten den Weg durch die Stadt und ermöglichen es, zu Fuß große Teile der Innenstadt zu erreichen. Sowieso laufen wir immer unglaublich viel und legen den Großteil der Erkundungstouren in Bangkok, Hanoi und Yangon zu Fuß zurück. Dadurch wird der Eindruck tiefer und gleichzeitig weiter, weil mehr Verbindungen zwischen einzelnen Sehenswürdigkeiten entstehen. Mit der Zeit bekomme ich doch immer schnell eine gute Orientierung und finde mich auch nach einem Tag in Hanoi schon erstaunlich gut zurecht. Viel lässt sich aber auch durch die Busse erreichen, für die es sogar einen verständlichen Busplan als PDF gibt. Auch eine App für Hanoi haben wir uns zugelegt, in der eine Offline Map viele touristische Attraktionen anzeigt. Doch das eigentlich Spannende ist letztlich doch immer, einfach durch die Stadt zu streifen und frei Schnauze die Stimmung der Stadt aufzusaugen.
Hanoi vegetarisch kulinarisch
Dass die Malls fehlen, fällt mir erst auf, als wir schon wieder im Bus zurück zum Flughafen sitzen. Große Einkaufshäuser sucht man im Stadtbild vergeblich und wir finden keine überdimensionierten Supermärkte wie in Bangkok. Auch gibt es kein Metro-System, noch kein Skytrain-Netz und keinen Stau. Die Beauty-Kliniken, die in Bangkok die Straßen säumten, fehlen hier und belassen es bei Schaufenstern mit chicer Kleidung in feineren Stadtvierteln. In vieler Hinsicht ist Hanoi also doch traditionell geblieben. An jeder Ecke gibt es kleine Restaurants oder Saftläden, die immer durch die Mini-Hocker erkennbar sind, die auf Schienenbeinhöhe den Boden säumen. Oft gibt es hier Pho, Nudelsuppe mit Fleischbrühe, Fleischbällchen und hausgemachten Nudeln aus Reismehl. Nicht gerade die Traumvorstellung von Vegetariern, aber auch Frühlings- und Sommerrollen, Sushi oder Dumplings (gefüllte Teigtaschen) finden wir hier leicht. Es ist wirklich ein spannender Mix aus asiatischem Regionalkontext und vietnamesischen Besonderheiten. Leider können wir uns nicht so durchkosten wie wir es gerne würden, doch auch so gibt es viel zum Ausprobieren und Naschen. An einigen Straßenecken entdecken wir Buns, Teigtaschen aus dem Dampfkochtopf, die (für Vegetarier) mit süßer Bohnenpaste und sonst mit Fleischvariationen gefüllt sind.
Auszeit von Asien – Willkommen in Paris
Auffällig ist schon nach wenigen Stunden in Hanoi, dass hier Ballungszentren bestehen, in denen ein Großteil der Touristen leben, in denen viele Expats wohnen oder in denen sehr viele Botschaften stehen. Es gibt im Osten der Stadt ein großes Viertel, das French Quarter genannt wird. Die französischen Kolonialherren hinterließen hier einige Prachtbauten, die sich an Ruhm und Paris-Ähnlichkeit gegenseitig überbieten. Hier gibt es helle Steine, kleine Balkons, Ballustraden, Verzierungen und Cafés an jeder Ecke. Vor allem liegt inmitten dieses kleinen Idylls das französische Institut direkt neben dem Opernhaus von Hanoi. Ausstellungen laden zum Stöbern ein und in den kühlen Innenräumen der französischen Bibliothek kann man gut wieder Kraft tanken. Doch dem französischen Café neben dem Eingang können wir dann doch nicht widerstehen und finden hier das mit Abstand beste Baguette der Stadt. Das Körnerbaguette schmeckt wirklich haargenau wie Tiefenbacher Körnerbrötchen und das Baguette ist einfach köstlich und hat die perfekte Pariser Baguette-Konsistenz. Ein Traum! Da ist uns gar nicht mehr so sehr nach vietnamesischer Pho-Suppe mit ordentlicher Fleischbrühe und wir mampfen genüsslich unsere Baguettes, Brötchen und Croissants. Im Touristen-Viertel erwerben wir noch eine höllisch teure Bonne Maman Brombeermarmelade – und das Frankreich-Feeling ist perfekt.
Neu und Alt ganz nah beieinander
Ein weiteres Zentrum ist das Old Quarter, das alte Viertel Hanois. Hier leben viele der Expats, die in Hanoi leben und arbeiten. Es liegt am großen Ho Tay See und ist von vielen kleinen Restaurants und Kiosken durchzogen. Als wir aus dem Airport-Shuttle-Bus aussteigen und hier ankommen, bin ich überrascht, wie lokal und traditionell es hier trotz der fortgeschrittenen Entwicklung der Stadt noch ist. In den kleinen Straßen gibt es viel zu sehen und so einige Blicke lassen Verwunderung aufkommen. Es sind kleinste Restaurants, viele Obststände, kleine Kioske, die Dumplings oder Kleinwaren verkaufen. Zuckerrohr-Pressen sehe ich oft, an denen frischer Zuckerrohrsaft mit Limette gepresst wird. Viele Tempel säumen die Straßen und lassen Blicke hinter den Vorhang erhaschen. Sie sind prunkvoll und ausladend und beherbergen nicht selten enorm große Buddha-Statuen.
Parallelen ziehen
Gerade im Vergleich zu Bangkok hat Hanoi noch viel mehr Charakter und einen richtigen Charme. An den großen Seen lässt sich wunderbar verweilen und die weiten Straßen laden zum Flanieren ein. Hier gibt es kleine Cafés, die guten Kaffee aus der Kaffeemaschine servieren und die ihre Stühle auf dem großen Bürgersteig ausbreiten. Es ist grün und belebt, doch nicht zu chaotisch. Der Verkehr erdrückt die Stadt noch nicht, sondern scheint noch zu fließen. Es gibt keine langen Staus und ewigen Ampelphasen wie in Yangon. Und… es gibt Baguette! Das Beste der Stadt war jedoch gar nicht so leicht zu finden. Da streunten wir gerade durch die Stadt auf dem Weg zum Opernhaus als wir plötzlich dem Französischen Institut über den Weg liefen. Völlig glücklich schöpften wir im gekühlten Eingangsbereich neue Energie und schauten uns eine audiovisuelle Ausstellung an, bevor wir auf dem Weg nach draußen die kleine Bäckerei entdeckten. Und dort gab es tatsächlich ein dermaßen formidables Baguette mit Körnern und braunem Mehl, das wir ganz vergaßen, wo wir waren. Und mit Blick auf das Opernhaus, die umliegenden Luxus-Hotels im Kolonialstil und die breiten Flanier-Bürgersteige habe ich tatsächlich ein wenig Heimweh nach Paris bekommen.
Propaganda – Bis heute
Unvorbereitet trifft mich jedoch nicht das koloniale, sondern das kommunistische Erbe der Stadt. Ich hätte es nie gedacht, doch an vielen Ecken in der Stadt sieht man Plakate, die in satten Farben und einfacher Bildsprache gehalten sind. Viele zeigen Arbeiter, andere Revolutionsführer Hồ Chí Minh höchstpersönlich. Mit seinem einprägsamen Bart und eindringlichen Blick erkennt man ihn auf jedem Plakat wieder. Fall richtig von Google Translater übersetzt, sind die Sätze wohl gar nicht so revolutionär wie erscheinen: „Love is good for you, useful for your family and good for the village, the country and the people.“ Doch die Bilder sprechen Bände. Gehobene Fäuste, bewaffnetes Volk, hart arbeitende Bürger. Alle haben sie stark rote Akzente und auf Hammer und Sichel ist Verlass. Dass es dies heute noch gibt, das hat mich wirklich vollkommen verblüfft. Ich hatte damit gerechnet, in einem Museum ausgestellte Propaganda-Plakate besichtigen zu können. Doch dass diese noch heute das Straßenbild prägen hätte ich nie erwartet.
Hoch erhoben
So ist auch das Mausoleum von Hồ Chí Minh ein weiteres Element in einer großen Kette an Erkenntnissen, wenn auch gleich das Extrem schlechthin. Eine riesige Parademeile säumt das Mausoleum, das kalt und abweisend auf Beton-Säulen thront. Im Hintergrund spielt Musik, die mitreißt und Siegesstimmung erzeugt. Davor spielen Kinder, sitzen Familien und verbringen viele ihren abendlichen Ausflug. Was sie wohl denken, frage ich mich. Was fühlen sie, wenn sie diese Musik hören, tagein, tagaus. Hinterfragen sie, was wir in Geschichtsbüchern lernen? Ach, ein verkürztest Visa-Wochenende genügt keinesfalls um dies alles zu begreifen. Spannend ist es aber allemal und vielleicht ja auch nicht der letzte Ausflug in das wohl immer noch kommunistischste Land der Region. Vielleicht geht’s dann fürs nächste Visum nach Ho Chi Minh City.