8 Spuren, Kein Auto, Die Hauptstadt
Hauptstadt-Feeling
Willkommen in NPT. Naypyitaw ist die neue Hauptstadt von Myanmar. Wobei, seit 2008 werden hier die Regierungsgeschäfte ausgeübt, sodass man gar nicht mehr wirklich von einer neuen Hauptstadt sprechen kann. Auch die Räumlichkeiten und Unterkünfte des Informationsministeriums, in dem ich hier untergebracht bin, sehen alles andere als neu aus. Eine Dreiviertel Stunde außerhalb der Hauptstadt liegt der große Campus des Ministeriums. Auf dem Weg vom Flughafen zum Ministerium machen wir wohl einen großen Bogen um die Stadt. Anders ist es schwer zu erklären, wie es möglich ist, dass wir dabei keinem einzigen Auto begegnen. Die Straßen sind achtspurig – vier pro Seite. Doch kein Auto ist weit und breit zu sehen. Ein Motorrad kommt uns in entgegengesetzter Fahrtrichtung auf unserer Spur entgegen. Zeitgleich sehe ich einen Geisterfahrer auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Es ist herrlich, dass es nicht mal für ein irritiertes Kopfschütteln reicht. Gehupt wird hier eher, wenn man doch mal einem Fahrrad oder Motorrad begegnet – oder wenn doch mal ein Auto die Strecke kreuzt. Auf Google Maps wird man kaum geortet und wenn, dann findet man sich bloß in einem kleinen Carré an Straßen wieder, die irgendwo im Nirgendwo liegen. Einzigartig isoliert befindet man sich hier auf dem Gelände des staatlichen Nachrichtensenders MRTV – Myanmar Radio and Television. Täglich werden in den hiesigen Räumlichkeiten Nachrichtensendungen moderiert, aufgezeichnet und ins ganze Land ausgestrahlt.
In Naypyitaw: Myanmar Radio and Television
Search for Common Ground, die sich in ihrer Friedensarbeit in Myanmar auf das ungefährliche Dreigestirn Medien – Kommunen – Dialog fokussieren, arbeiten eng mit MRTV zusammen. In einer vorherigen Kooperation wurden in einem Training MRTV-Mitarbeiter von Search und externen Consultants geschult und zum Konzept von Social Cohesion sensibilisiert. Daraufhin produzierten die Teilnehmer mit Unterstützung professioneller Produzenten die TV-Serie TEAM, die in ganz Myanmar ausgestrahlt wurde. TEAM erzählt die Geschichte eines Fußballteams in Myanmar, in dem verschiedene Konflikte und Auseinandersetzungen vorkommen. Unterstützt durch den Common Ground Ansatz, der in Konflikten nach Gemeinsamkeiten suchen lässt, schafft es das Fußball-Team in der Serie seine Konflikte beizulegen. Die Fußballspieler überwinden ihre Unterschiede und Hintergründe und finden friedlich zueinander.
TEAM – Frieden schaffen auf allen Kanälen
Dies ist der grobe Aufbau der Serie, die in vielen weiteren Projektländern von Search großen Erfolg hatte. Der Produzent, der hier das Training leitet, stammt aus Kapstadt, Südafrika und hat bereits mehrere Search-Produktionen geleitet – unter anderem in Nepal und Indonesien. TEAM in Nepal war einer meiner ersten Eindrücke von Search. Ein guter zudem, der mich dazu bewogen hat, mich wirklich dafür einzusetzen, dort ein Fellowship machen zu können. Nun kann ich bereits in meiner zweiten Woche an diesem Medientraining in der Hauptstadt teilnehmen, das die 20 zukünftigen Produzenten, Direktoren, Kamerafrauen, Sound Techniker und viele weitere schult. Thematisch ist das ganze natürlich gar nicht mein Feld, aber spannend allemal. Da das Training gänzlich auf Burmesisch läuft, habe ich vom Inhalt nicht wirklich viel mitbekommen. Zudem bestand der Großteil des Trainings in der praktischen Ausarbeitung kleiner Filme, die alle Stationen der Produktion durchlaufen. So begannen die Teams damit, auf dem Gelände des Ministeriums oder in der näheren Umgebung erste Kurzfilme zu drehen. Geleitet durch das Input des myanmarischen Trainers wurden diese geschnitten, farblich angepasst, mit Tönen untermalt und finalisiert.
Evaluierung, wie immer das A und O
Als Zuständige für DM&E (Design, Kontrolle, Evaluierung von Projekten) war es während der drei Tage meine Aufgabe, gemeinsam mit dem DM&E Coordinator von Search Soe Win Myint Erfolgsgeschichten aufzuzeichnen. Diese Success Stories dienen dem Zweck, Geldgebern und Partnern gegenüber zu kommunizieren welche Erfolge Search verzeichnen kann. Schnell fällt dabei auf, dass auch diese Aufgabe gar nicht so leicht ist, da viel bei der Kommunikation auf Englisch verloren geht. Die Interviews führen wir auf Burmesisch/Myanmari, zeichnen sie auf und übersetzen sie daraufhin. Einige Sätze habe ich schon auf Englisch übersetzt bekommen, sodass ich zumindest einen kleinen Eindruck erhalten konnte. Doch der Großteil wird sich hoffentlich nächste Woche zeigen, wenn mir eine englische Übersetzung vorliegt.
Story Telling, die größte Herausforderung
Auffallend schwierig ist es jedoch bei dem Training in Naypyitaw, eine wirkliche Success Story bzw. Story of Change zu erzählen. Bislang geht auf den Success Stories hervor, dass wir die Gelder, die in unsere Projekte investiert werden, adäquat eingesetzt haben. Doch sollte es nicht unser Ziel sein, Spuren zu hinterlassen? Wirkliche Geschichten zu erzählen, in denen der Leser mitempfinden kann, inwiefern Search eine Entwicklung angestoßen hat? Ein Mädchen, das wir hier interviewt haben, erzählt uns da plötzlich eine erstaunlich nahe gehende Entwicklung. Zuvor hat sie nie mit ihren Kollegen bei MRTV gesprochen und hatte ein tiefes Misstrauen in alle, die nicht aus ihrem engsten Umfeld kommen. Sie hat am liebsten alleine gearbeitet, sich isoliert und zurückgezogen. Als sie in den Social Cohesion (Sozialer Zusammenhalt) Trainings von Search teilnahm, gewann sie ihr Urvertrauen zurück. Durch Teambuilding und Sensibilisierung über den Wert von Gemeinschaft, Vertrauen und Zusammenhalt hat sie den Wert von Vielfalt erkannt. Sie sagt, sie kann nun andere Meinungen wertschätzen und weiß, dass sie durch Kooperation viel weiter kommen kann. Das Arbeitsklima hat sich bei MRTV spürbar verbessert, seitdem sie und ihre Kollegen an den Social Cohesion Trainings teilgenommen haben. Und tatsächlich lacht sie nun, als sie von ihrer jetzigen Arbeit erzählt und strahlt Glück und Vertrauen aus.
So geht es nach drei erlebnisreichen Tagen zurück nach Yangon. Viele Eindrücke habe ich von der Arbeit von Search bekommen und viel gelernt. Doch vor allem habe ich meine Kollegen deutlich besser kennen gelernt und enge Verbindungen knüpfen können.