Rückblick und Abschied aus Regensburg
Von travelam •
Gar nicht so einfach, diesen Abschied aus Regensburg zu beschreiben. Mal wieder gar nicht einfach, die verschiedenen Empfindungen festzuhalten und aufs Papier zu bringen. Eine deutsche Freundin aus Tunesien meinte kürzlich, Regensburg sei für mich doch vor allem Basis für Reisen und Ausflüge gewesen. Ein Ort des Bleibens, der mich zu viel Neuem und Tollem befähigt hat. Doch wenig ein richtiges Zuhause. Nun, ich bin tatsächlich nicht vollständig bayerisiert und habe mir mein “Servus” wieder abgewöhnt, nachdem ich in Berlin an der Supermarktkasse groteske Blicke dafür geerntet habe.
“War auch nicht allzu clever” magst du nun vielleicht denken. Du magst dich wundern, warum ich diese Stadt nicht zu meinem Eigen gemacht habe und mir ein echtes Zuhause erschaffen habe? Nun, das habe ich schon! Ich habe eine tolle WG mit Freiheit, Unterstützung und Gemütlichkeit. Viele schöne Abende haben wir hier verbracht, viel gelacht, viele gute und weniger gute Stunden geteilt. Viele Kommilitonen, viele Freunde, einige Couchsurfer habe ich hier beherbergt und stets willkommen geheißen. Viel Wissen habe ich hier erlangt, im Wohnzimmer tage- und wochenlang mit Philip und Lotti gepaukt, geteilt was sonst deutlich schwerer zu ertragen gewesen wäre.
Doch vor allem habe ich hier ein Studium belegt, das der Hauptgrund war, für den ich dreieinhalb Jahre in Regensburg gewohnt habe. Ich bin so anders als mein Ich das im Herbst 2014 mit beispielloser Unsicherheit auf den Haupteingang der Ostbayerischen Technischen Hochschule zustapfte und sich fragte, was im Himmel mich dazu bewogen hat, an einer technischen Hochschule in Bayern studieren zu wollen. Doch so eingeprägt wie dieser Moment in meinem Kopf nach all der Zeit noch ist, so schnell war auch diese Unsicherheit überwunden und mündete in ersten Zufallsbekanntschaften mit Glückstreffer im großen Hörsaal, in dem die neuen der 10.000 Studierenden vom Bürgermeister begrüßt wurden. Ähnlich wie auf einer Reise vergrößerte sich die Comfortzone ungemein und ließ uns Einblicke in Politikwissenschaften, Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre und Soziologie erhaschen.
So viel gelernt und so viel vergessen von dem Wissen, doch nicht von den Erfahrungen, die mich wachsen ließen. Projekte an erster Stelle. Globe Seminare und eine beispiellose Übung zu zivil-militärischer Zusammenarbeit in der Bundeswehr-Kaserne in Nienburg. Herausforderungen, an denen ich so ungemein gewachsen bin. Durch die ich einen neuen Blick auf mich selbst bekommen und diesen immer wieder infrage stellen musste.
Somit bin ich der festen Überzeugung, dass ganz besonders dieses Studium in International Relations and Management erst zu der lehrreichen Erfahrung wird, wenn wir es uns formen, bauen und anpassen. Wir müssen es mit Bereicherndem füllen und erlauben, dass es uns aus unserer Comfortzone lockt. Denn auch das hat es möglich gemacht! Marokko, Tunesien und Nepal – mittlerweile längst magische Worte, hinter denen sich ganze Welten verbergen. Alles erst durch ein Studium entstanden, das mich auch an das Ausland an der Grenze zu Deutschland hätte führen können. Schnell klingt unser Studiengang, unsere Art des internationalen Lebens, unsere häufige Anzahl an ziemlich fließend gesprochenen Sprachen arrogant. Schnell blocken andere ab, die hören, wie wir von Botschaften, der Giz oder einem kleinen Urlaub in den Iran sprechen. Schwierig ist es, da mitzuhalten und sich nicht als ungleichwertig zu betrachten. “Nur drei Sprachen?” “Nicht ins Ausland gehen, weil du dich in Deutschland so wohl fühlst?” “Für immer in deinem Kindheitsort bleiben?” Schnell urteile auch ich und ertappe mich bei Einschätzungen, die ich so nicht hegen möchte. Doch auch schnell tue ich Anerkennung oder Wertschätzung für das viele “Herumkommen” und Reisen ab, da es doch ach so normal für mich ist.
Es ist eine sehr kleine Welt, in der ich mich dreieinhalb Jahre lang bewegt habe. Sie hat Wege eröffnet, Möglichkeiten erschaffen, Weichen gestellt. Nun gilt es, in mich zu gehen und die Konsequenzen daraus zu ziehen. Wohin führt der Weg? Wo fügt sich mein gesammeltes Wissen in einer Synergie zusammen? Wo passe ich mit all diesen “Schlüsselkompetenzen” hinein und wo will ich dies überhaupt anwenden und einbringen? Fragen über Fragen, ich bin gespannt, was die nächsten Wochen entscheiden.