Gegen den Topspieler Myanmars hat sich das mangelnde Training dann doch leider bemerkbar gemacht.

In einer Stadt wie Yangon sagt man Fahrradfahrern nicht selten leicht wahnsinnige Tendenzen nach. Es gibt kaum Regeln für Autofahrer, und die wenigen, die es gibt, sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben stehen. Ich habe mir trotzdem ein Fahrrad besorgt, da man mit dem Bus eigentlich nur im Stau steht und ich zumindest auf dem Weg zur Arbeit einen wunderbar ruhigen Weg durch die Universität Yangons nehmen kann. Das Fahrrad, von einer Kollegin geliehen, hat bei meiner Körpergröße zwar eher etwas von einem BMX, weswegen ich zwar immer eher langsam unterwegs bin. Es ist aber trotzdem ungemein befreiend, nicht auf die Busse angewiesen zu sein.

Bei so einem Fahrrad kann man einfach nicht widerstehen.
Bei so einem Fahrrad kann man einfach nicht widerstehen.

Seit gut sechs Wochen bin ich jetzt in Yangon, arbeite bei der Heinrich Böll Stiftung und schaue mir das Land an. An Tischtennis habe ich in dieser Zeit, um ehrlich zu sein, eher selten gedacht. Nichtsahnend fahre ich also am Donnerstag Nachmittag besagte idyllische Universitätsstraße in meinem gemütlichen, eher unsportlichen Tempo entlang, da höre ich auf einmal ein vertrautes klick-klack-klick-klack. Es rattert kurz im Kopf, dann geht mir ein Licht auf. Die spielen ja Tischtennis! Also immer den Ohren nach und die Halle gefunden.

Die Halle der Yangon University. Das groesste Handicap ist auf dem Foto aber noch nicht einmal zu sehen.
Die Halle der Yangon University. Das groesste Handicap ist auf dem Foto aber noch nicht einmal zu sehen.

Wobei, kann man das als Halle bezeichnen? Da soll sich noch jemand in Deutschland über schlechte Bedingungen aufregen. In einem Kabuff neben der Sporthalle stehen zwei Platten. Die Säulen in der Halle erinnern zwar auch etwas an manche Berliner Verhältnisse, aber sonst? Von den Wänden bröckelt der Putz und der glatte Betonboden hat so viele Unebeneheiten, dass man immerhin eine Ausrede hat, wenn die Beinarbeit nicht stimmt. Aber das krasseste: Die Luftfeuchtigkeit. Es gibt keine Klimaanlage, und bei einer Luftfeuchtigkeit von fast 100% bekommt der Ball auf dem Schlaeger oft gar keine Traktion und rutscht einfach ab. Die unebenen Tische tragen ihr übriges dazu bei, dass Reaktionen hier wichtiger sind als Technik.

Der Uni-Trainer kennt zufällig den viertbesten Spieler Myanmars und so werde ich gleich voll gefordert und muss meinem Gegner dann doch zu zwei 3:1 Siegen gratulieren. Am Ende habe ich gerade mal etwas über eine Stunde gespielt, Gegner und Luftfeuchtigkeit haben mich aber ordentlich ins Schwitzen gebracht. Auch ganz ohne in den Regen geraten zu sein tropft das Wasser von Trikot und Hose nur so auf den Boden. Aber trotzdem (oder gerade deshalb): Es hat richtig Spaß gemacht, nach zwei Monaten mal wieder den Schläger in die Hand zu nehmen und sich auszupowern.

Als ich schon am Gehen bin, fragt mich der Trainer: “Do you want to play Olympic Games?” Ich hätte ja gedacht, dass man für die myanmarische Staatsbürgerschaft zumindest jemanden bestechen muss, aber jetzt werde ich aus dem nichts zu den Olympischen Spielen eingeladen? Die Sprachbarriere führt ja doch manchmal zu witzigen Erlebnissen. Zwei Tage später steht also “Mr. Selix” (Sprachbarriere lässt grüßen) im Turnierplan des Olympic Day Run. Das ist dann zwar doch nicht Olympia, aber doch eines der größten Turniere des Jahres, bei dem auch die Nationalspieler alle antreten.

Der Bau ist heruntergekommen, aber mit der Sportlichkeit meint man es hier trotydem ernst. Der Eingang zum Hallenkomplex, in dem die Nationalspieler vieler Sportarten trainieren.
Der Bau ist heruntergekommen, aber mit der Sportlichkeit meint man es hier trotzdem ernst. Der Eingang zum Hallenkomplex, in dem die Nationalspieler vieler Sportarten trainieren.

Dafür hat die Halle aber fast etwas olympisches. Erwartungen hatte ich nach der Uni-Halle keine, aber hier wird es ja doch richtig professionell. Roter Boden, gute Tische (wenn auch nur fünf), ein VIP-Sofa für die Ehrengäste und ganz schön viele TT-Spieler. Spielerisch war der Samstag eher ernüchternd. Um 9 Uhr ging es los, um 12 Uhr war mein erstes Spiel angesetzt – es gab von Anfang an ein KO-System. Nach drei Stunden Warten stellt sich heraus: Mein Gegner ist nicht da, kampfloser Sieg. Nächstes Spiel um 16 Uhr.

Die Zwischenzeit wird aber nicht langweilig, denn als Weißer gehört man hier automatisch zur Elite. So treffe ich den Präsidenten der Myanmar Table Tennis Federation genauso wie den Vizepräsidenten und den Sponsor der gesamten myanmarischen TT Welt. Das lilane VIP-Sofa wird mein Stammplatz in diesen Wartestunden. Um 15 Uhr werde ich dann der Nummer 2 der myanmarischen TT-Welt vorgestellt und soll mich doch mal mit ihm warmspielen. Auch wenn er mich ziemlich auseinandergenommen hat: Das Warmspielen war anscheinend so beeindruckend, dass mein zweiter Gegner, der an diesem Tag schon ein Spiel gespielt hatte, plötzlich nicht mehr in der Halle aufzufinden ist. Ich warte noch eine Weile, dann ist es offiziell: Ich habe auch das zweite Spiel kampflos gewonnen und kann das Turnier am nächsten Tag fortsetzen.

Der Longyi darf natuerlich auch in der Tischtennis-Halle nicht fehlen.
Der Longyi darf natuerlich auch in der Tischtennis-Halle nicht fehlen.
Mein Blick vom VIP-Sofa - Kaffee, Tee und Snacks inklusive - auf das Geschehen an den Tischen.
Mein Blick vom VIP-Sofa – Kaffee, Tee und Snacks inklusive – auf das Geschehen an den Tischen.

Am Sonntag darf ich dann endlich spielen. Das erste Spiel ist ein relativ klarer Sieg, im Viertelfinale gehts dann gegen den Topspieler Myanmars. Die Nummer 1 des gesamten Landes. Am Anfang kann ich noch gut mithalten, fuehre ueber weite Strecken des ersten Satzes, lasse mir den ersten Durchgang dann aber doch noch klauen. Am Ende war mein Gegner dann doch besser, aber bei Weitem nicht unerreichbar. Schade, aber mit ein bisschen Training schaffe ich die Olympia Qualifikation fuer Myanmar auf jeden Fall doch noch.

Trotz der ganzen Warterei war das ein faszinierender Einblick in die TT-Szene des kleinen und bis vor wenigen Jahren noch von der Außenwelt abgeschnittenen Landes Myanmar. Es fehlt hier natürlich einiges an Professionalität (und Geld) und die myanmarische Nationalmannschaft hat das Niveau der Verbandsoberliga Ost hat, in der ich vor kurzem auch noch gespielt habe. Aber wie ueberall in Myanmar scheint es auch hier einen AUfbruch zu geben. Der Sport eint die Leute und macht auch unter diesen Bedingungen einfach Spass.